Die Muse und der Schweinehund – Werkstattberichte

Artikel über das Schreiben, Charaktere, Ideenfindung, Recherche – kurzum alles, was man braucht, um ein Manuskript abzuschließen. Höchst subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Bin ich eine politische Schriftstellerin?

Auf Twitter äußere ich mich recht oft zu politischen Themen. Ich habe eine Meinung und die kann auch jeder kennen. Natürlich schlägt das auch auf meine Krimis durch. Trotzdem würde ich mich nie als politische Schriftstellerin bezeichnen. Mein Ziel ist, Bücher zu Schreiben, die Spaß machen. Nicht, eine Meinung zu verbreiten – egal, wessen.

Ganz im Gegenteil: Bücher, die ganz offensichtlich dazu geschrieben sind, eine bestimmte Weltsicht zu propagieren, finde ich grauenhaft. Es gab mal so einen Trend im Krimibereich. Frauenkrimis, bei denen alle Männer Schweine und alle Frauen entweder Feministinnen (gut) oder arme Opfer waren. Die besten Feministinnen waren Lesben.
Literaturgeschichtlich waren diese Krimis bahnbrechend. Sie brachen mit dem Klischee dass Detektivarbeit Männersache sei. Sie brachen mit dem Klischee, dass Frauen in politischen Romanen keine aktive – und schon gar keine positive Rolle zu spielen hatten. Und sie behandelten Lesben nicht mehr als Frauen, die nur nicht den richtigen Mann gefunden hatten.
Trotzdem waren sie grauenhaft.

Solche Bücher will ich nicht schreiben, auch wenn ich oben gesagt habe, dass meine Meinung natürlich auf meine Krimis durchschlägt. Aber damit meine ich nicht, dass ich meinen Lesern vorschreibe, wie sie zu denken haben. Die Meinungen meiner Protagonisten entsprechen auch nicht unbedingt meiner eigenen. Teilweise laufen sie ihr sogar diametral entgegen und das ist auch gut so.
Wenn ich sage, dass meine Meinung natürlich auf meine Krimis durchschlägt, meine ich die Wahl des Stoffs, also des zugrundeliegenden Themas. Meine Krimis haben neben dem Mord, der aufgeklärt werden muss, immer auch ein Thema. Bei „Bodenfund“ den ich gerade überarbeite, ist das Antikenhehlerei. Und auch wenn ich natürlich eine Meinung dazu habe, versuche ich, das Thema von möglichst vielen Seiten zu beleuchten, ohne die Meinung des Lesers in die eine oder andere Richtung zu lenken. Schließlich will ich in erster Linie meine Leser unterhalten, indem ich eine spannende Geschichte erzähle.

 

Sex und Crime

Aktuell lese ich gerade „Die letzten Tage des Condor“ von James Grady und bin darin auf eine großartig geschriebene Sexszene gestoßen. Grady schreibt viel in erlebter Rede und erzeugt damit eine große Nähe des Lesers zu den Figuren. Auch in dieser Szene erlebt man die Gedanken und Gefühle von Faye Dozier unmittelbar mit.

Was mich umgehauen hat war, welche Gedanken sie dabei hat. Ich will nicht spoilern, aber so viel sei doch gesagt: Es hat nichts mit dem üblichen „Oh mein Gott, er ist so GROßARTIG und ich will ihn so sehr!“ zu tun. Ganz im Gegenteil. Grady lässt den Leser fast bis zum letzten Moment im Unklaren, was hier eigentlich passiert. Selbst, als beide schon miteinander im Bett sind, hat man als Leser den Eindruck, die Sache könne jederzeit in eine ganz andere Richtung kippen. Unglaublich spannend. Unglaublich gut!


James Grady, Die letzten Tage des Condor, Suhrkamp 2016, ISBN 978-3-518-46685-8

Nichts als Lügen?

In meinem letzten Beitrag habe ich mich darüber ausgelassen, warum die Realität nur schlecht als Vorlage für einen Krimi taugt. Heute soll es dafür ein bisschen darum gehen, wo man mit ihr doch etwas anfangen kann.

Ausgangspunkt ist eine Diskussion über Zivilcourage. Ein Matthias Czarnetzki anderer Autor hatte im Netz gefragt, warum man wegschaut, wenn man doch auch hinsehen kann. Mit einer der Antworten setzt er sich in einem weiteren Blogbeitrag auseinander. Diesen Beitrag habe ich kommentiert, aber darum soll es hier nicht gehen, sondern um die Beurteilung des Wahrheitsgehalts von Aussagen.

Das Spiel mit der Wahrheit

Zugegeben, das klingt ein bisschen trocken, ist aber nicht nur für Polizisten, Juristen und Psychologen wichtig, sondern auch für Autoren. Man kann damit spielen und dadurch seinen Roman interessanter gestalten.
Nicht nur Krimi-Autoren haben es mit unzuverlässigen Zeugen zu tun. Auch in anderen Genres lügen die Protagonisten und Nebencharaktere oft, dass sich die Balken biegen. Nur, wie stellt man das als Autor dar, ohne den Leser gleich mit der Nase darauf zu stoßen? Tatsächlich helfen hier genau die gleichen Kriterien, die auch Polizisten, Richter und Staatsanwälte zur Beurteilung von Zeugenaussagen heranziehen.

Dabei betrachtet man inzwischen weniger die Glaubwürdigkeit des Zeugen, also dessen Leumund und Persönlichkeit, sondern vor allem die Glaubhaftigkeit des Gesagten. Für dessen Beurteilung werden die sogenannten Realitätsskriterien gegen mögliche Lügensignale abgewogen.

Realitätskriterien

  • konkrete, anschauliche Schilderung
  • Detailreichtum und Zugeben von Erinnerungslücken
  • Schilderung abgebrochener Handlungsketten und von Unverstandenem
  • Selbstkorrekturen und -belastungen, auch das Zugeben von eigenen Fehlern oder sozial unerwünschtem Verhalten
  • Originalität (d. h. typischer Sprachstil, keine Klischees, keine Stereotype), insbesondere: Wiedergabe eigenen Erlebens (Gefühle, Sorgen, Ängste)
  • innere Stimmigkeit (logische Konsistenz, keine Verstöße gegen Naturgesetze oder typische Verfahrensabläufe)
  • sachverhaltstypische Details
  • Konstanz der Aussage (wenn mehrfach gefragt oder die Schilderung gegenüber anderen wiederholt wird)

Lügensignale

Wer bewusst etwas unwahres erzählt, muss auf sein vorhandenes Wissen zurückgreifen. Lügensignale sind daher:

  • Kargheit, Abstraktheit und Detailarmut
  • Glatte Darstellung (ohne Komplikationen)
  • Verlegenheit und Zurückhaltung der Aussagen und in der Körpersprache
  • Schwankungen im Sprachniveau (Pauschalierungen, Allgemeinausdrücke, freud’sche Versprecher)
  • Unterwürfigkeit oder besondere Aggressivität (Vorwegverteidigungs- und Entrüstungssymptom)
  • Übertreibung der Bestimmtheit der Aussage (Belastungseifer)

Die Ungewissheit macht es spannend

Nun ist nicht jeder Zeuge ein hervorragender Beobachter oder großartiger Erzähler und die einzelnen Kriterien sagen für sich genommen noch wenig aus. Daher kann man als Autor damit spielen und selbst banalen Situationen Spannung abgewinnen, wie das folgende Beispiel zeigt:

Frau Meyer, die an seniler Bettflucht leidet, will morgens um 7.00 mit ihrem Yorkshire Fipsi Gassi gehen. Als sie gerade die Hand nach dem Griff der Haustür ausstreckt, wird diese von außen aufgestoßen und ihr Nachbar, Herr Müller steht vor ihr.
„Hach, Herr Müller!“, ruft sie. „Sie auch schon wach! Was machen Sie denn so früh schon draußen?“
„Nachtschicht“, gibt er zurück. „Stellen Sie sich vor, andere Leute müssen arbeiten!“
Er stapft an ihr vorbei, die Treppe hoch und schlägt die Tür hinter sich zu.
„Was für ein grober Klotz“, sagt sie zu Fipsi, als beide schon auf der Straße sind. „Und hat es nicht geheißen, er studiert? Ich bin mir sicher, Frau Schulze hat sowas erwähnt. Chemie oder so.“

Hat Herr Müller gelogen? Wir wissen es nicht, aber es deutet einiges darauf hin. Nicht nur, dass seine Aussage im Widerspruch zum Treppenhaustratsch steht. Seine Reaktion weist auch darauf hin, dass man ihn bei irgendetwas ertappt hat. Warum sonst sollte er auf eine einfache Frage derart grob und unhöflich reagieren?
Auf der anderen Seite kann es durchaus sein, dass er die Wahrheit sagt, aber nicht über den Job reden will, weil der ihm peinlich ist (Klomann in einem Fetischclub z. B.). Oder er ist so aggressiv, weil er neugierige alte Weiber auf den Tod nicht ausstehen kann. Vielleicht ist er auch einfach müde und hat ihre Begrüßung als Angriff missverstanden.

Wir wissen es nicht. Aber genau das macht das Ganze für den Leser spannend.

Krimi und Kriminalität

Man sollte meinen, das Leben liefere reichlich Stoff für Kriminalromane und natürlich verfolge ich die Nachrichten über Verbrechen, Intrigen in der Politik, Wirtschaftsmauscheleien und so weiter. Aber als direkte Vorlage taugt das alles wenig. Warum möchte ich an einer frisch aus meiner Twitter Timeline gefischten Pressemitteilung der Frankfurter Polizei demonstrieren:

Frankfurt (ots) – (we) Ein seit längerer Zeit schwelender Streit zwischen zwei Männern, ist am Dienstagabend in der Wiener Straße eskaliert und löste einen größeren Polizeieinsatz aus.

Die Männer im Alter von 49 und 34 Jahren lebten bis vor zwei Wochen in einem Mitverhältnis zusammen in einer Wohnung, bis der 49-jährige Hauptmieter dem 34-Jährigen aufgrund seines Zahlungsrückstandes fristlos kündigte.

Offenbar wollte der 34-Jährige dies nicht akzeptieren und hielt sich am Dienstagabend gegen 23.40 Uhr erneut in der Wohnung auf. Daraufhin versuchte der 49-Jährige ihn aus der Wohnung zu jagen und schwang dabei ein Küchenbeil.

Der unverletzte 34-Jährige rannte aus der Wohnung und verständigte die Polizei. Die Beamten rückten mit mehreren Streifenwagen an. Der 49-Jährige öffnete freiwillig die Tür und stellte sich. Das Küchenbeil wurde sichergestellt. Er wird sich wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung verantworten müssen.

Rückfragen bitte an:
Polizeipräsidium Frankfurt am Main
P r e s s e s t e l l e

Das ist doch was, oder? Hier tobt das pralle Leben, da geht es zur Sache – und bei richtiger Anwendung des Hackebeils hätte es sogar eine Leiche geben können. So erzählt, ist dieser Vorfall trotzdem nicht mehr, als eine Anekdote. Ganz witzig, aber vollkommen unspannend im Sinne eines Krimis.
Wenn man daraus einen anständigen Krimi machen wollte, müsste man die Geschichte genau andersrum erzählen: Die Polizei findet eine Leiche. Der Tote weist Verletzungen auf, die auf den Einsatz eines Hackebeils hindeuten.
Damit lässt sich arbeiten. Der nächste Schritt ist, eine Reihe Fragen aufzuwerfen (und falsche Spuren zu legen): Warum musste dieser Mann sterben? Geht ein wahnsinniger Axtmörder um? Handelt es sich um einen Ritualmord? War es ein Verbrechen aus Leidenschaft? Hach, Drama! Konflikte zuhauf, das ist gut.
Aber dann: Der geniale Kommissar hat nach die falschen Spuren als Sackgassen identifiziert und entdeckt – einen Mietstreit als Ursache?!
Also wirklich! Spätestens in diesem Moment schmeißt der jetzt gar nicht mehr geneigte Leser das Buch in die Ecke und verflucht den Autor, der solche hahnebüchenen, völlig an den Haaren herbeigezogenen Fälle konstruiert.

Ein Krimi muss nicht wahr sein, sondern eine plausible Lösung bieten. Dazu gehört auch, dass das Motiv der Größe des Verbrechens angemessen sein sollte. Nur hält sich die Realität selten daran und genau aus diesem Grund sollte man sie nur in wohldosierten Mengen einbringen.

Mord verjährt nicht

Im letzten Beitrag hatte ich schon davon erzählt, dass mir eine Kurzgeschichte im Hirn herumspukt, für die ich eigentlich keine Zeit habe. Nun, offenbar will das Universum, mein Karma oder was auch immer, dass ich diese Geschichte schreibe, denn seit ein paar Tagen habe ich eine extrem fiese Erkältung mit allem, was dazu gehört. Ohne in die Einzelheiten zu gehen: So richtig konzentrieren kann ich mich damit nicht. Jedenfalls nicht genug, um die notwendigen Arbeiten an „Bodenfund“ (oder wie auch immer der erste Roman am Ende heißen wird) abzuschließen.

Aber um schlecht zu schreiben, reicht es gerade noch. Und wenn man sich etwas schlecht geschriebenes zum Ziel setzt, schreibt es sich sehr ungeniert. Also schreibe ich jetzt am Entwurf einer Kurzgeschichte, die in Friedensbachs Kindheit spielt und die ganz gut erklärt, warum er kein Blut sehen kann. Kein klassischer Krimi, aber ich hoffe, dass sie nicht nur als Hintergrundstory etwas taugt.

Der Kommissar, der kein Blut sehen kann

In den letzten zwei Tagen hat auch KHK Thomas Friedensbach einen familiären Hintergrund bekommen. Keinen schönen. Ich hätte jemandem wie ihm wirklich besseres gegönnt, aber jetzt ist mir auch klar, warum er ausgerechnet im Morddezernat arbeitet (und da auch nicht weg will), obwohl er kein Blut sehen kann und warum er ständig alles hinterfragt.

Außerdem spukt jetzt eine Kurzgeschichte in meinem Hirn. Wenn die nicht bald Ruhe gibt, werde ich die wohl auch schreiben müssen, obwohl ich eigentlich gar keine Zeit dafür habe und mich um ganz andere Dinge kümmern sollte.

April Challenge (Tag 28): Der beste Satz aller Zeiten

„Fave Sentence ever written“, lautet die Tagesaufgabe der von Kate Stark ausgerufenen Challenge im Original. Das ist ein bisschen mehrdeutig, schafft dadurch aber auch Raum für eigene Interpretationen und Gestaltung. Je nachdem, ob der Lieblingssatz generell gemeint ist, ein besonders treffender Sinn- oder Urteilsspruch, der nach eigener Ansicht beste Satz, den man je formuliert hat oder die beste eigene Sentenz ergeben sich ganz unterschiedliche Antworten.

Mein Lieblingssatz (generell):

Die Sonne hatte sich wie schon so oft in der Geschichte langsam aus dem Meer erhoben, und ihre rötlichen Strahlen verliehen dem aufgehenden Morgen ein wenig von einem Romananfang.

Mit diesem Satz beginnt der Roman „Die Instrumente des Herrn Jörgensen“ von Richard David Precht und Georg Jonathan Precht. Ich finde diesen Satz nicht nur sprachlich schön, sondern bin von dem doppelten Rückbezug einfach hingerissen. Die Geschichte ist zwar teilweise etwas verworren, aber von der Sprache her ein wirklicher Leckerbissen.

Mein liebster Urteilsspruch (generell):

Many that live deserve death. And some that die deserve life. Can you give it to them? Than do not be too eager to deal out death in judgement. For even the wise cannot see all ends.

Erkannt? Der Satz stammt natürlich aus dem Herrn der Ringe und ist ein Zitat von Gandalf und die Antwort auf Frodos Meinung, Bilbo hätte Gollum töten sollen, als er die Gelegenheit gehabt habe. Meines Erachtens ist das gleichzeitig der beste Satz, der je zur Todesstrafe gesagt wurde.

Mein liebster eigener Satz:

„Du bist ja wohl bregenklöterig: Die Stadt brennt und du sorgst dich um die Maische!“

Der Satz steht im Kontext zum großen Brand von Hamburg 1942 und ist entstanden, als ich noch dachte, historische Romane schreiben zu wollen. Von dieser Vorstellung habe ich mich inzwischen verabschiedet. Aber die Szene an deren Abschluss dieser Satz steht, mag ich immer noch.

Meine liebste eigene Sentenz:

Meine (derzeit) liebste eigene Sentenz stammt aus meinem zweiten Krimi und ist ein Ausbruch von KHK Friedensbach:

„Ich meine gar nichts, was den Fall angeht. Aber ich meine, dass es falsch ist, Menschen in Schubladen zu stecken und die nach gut und böse zu etikettieren, auch wenn es das Leben leichter und übersichtlicher zu machen scheint. Zigeuner sind dreckig, Rumänen klauen, Italiener reden viel,  Deutsche sind ordentlich, Religion ist Opium für das Volk, Männer wollen nur das Eine und Frauen können nicht einparken – was für ein Schwachsinn! Hitler war Vegetarier, Atheist und dem Vernehmen nach sehr tierlieb. Trotzdem hat er der Welt 20 Millionen Tote und unsagbares Leiden beschert.« Er schloss kurz die Augen und sagte dann mit sanfterer Stimme, als zuvor: »In jeder Gruppe finden sich zehn Prozent Idioten und ein Prozent, das in gefährlicher Form gewalttätig ist. Vollkommen egal, ob das nun Moslems, Lehrer, Veganer oder Fahrradfahrer sind.“

Ob er recht hat? Das muss jede/r selbst entscheiden.

April Challenge (Tag 18): Auf der Suche nach dem Antagonisten

„The Antagonist takes over,“ lautet die heutige Aufgabe der Schreibchallenge von Kate Stark. Aber es ist wirklich schwer zu sagen, wer mein Antagonist ist. Schließlich schreibe ich keine Thriller in denen ein blutdurstiger Psychopath umgeht und von der Protagonistin (oder dem Protagonisten) erledigt werden muss. Meine Krimis kommen deutlich stiller daher und der Mörder versucht in der Regel unauffällig zu bleiben. Möglicherweise schreibe ich irgendwann auch mal einen Krimi mit einem psychopathischen Mörder, der die Ermittler aktiv herausfordert. Ein moderner Jack the Ripper. Aber in diesem Fall verhält sich der Täter so, wie sich die meisten Täter in der Realität verhalten, sofern sie die Tat nicht gleich gestehen: Er leugnet und versucht, unter dem Radar zu bleiben.

Vielleicht muss man deshalb den Fall als solchen als Antagonisten begreifen.
Der hat es deutlich in sich, denn das Opfer war – gelinde gesagt – ein Mistkerl, der seiner Umwelt mehr als genug Gründe geliefert hat, ihn umzubringen. Neben persönlichen Motiven wie Gier und Rache gibt es Hinweise auf eine Verstrickung in die organisierte Kriminalität. Zeugen gibt es keine, dafür aber jede Menge Verdächtige und je mehr die Ermittler herausfinden, desto weiter entfernt scheinen sie von der Auflösung entfernt.

So gesehen, ist der Fall wirklich der Antagonist, der den Ermittlern immer neue Hindernisse in den Weg legt und ganz besonders Jana Hirte, die Neue, zwingt, an ihre Grenzen und darüber hinaus zu gehen und damit auch ihre persönlichen Beziehungen auf’s Spiel zu setzen.

April Challenge (Tag 17) Mein Notizbuch

Wer jetzt auf stimmungsvolle Bilder hofft, wird leider enttäuscht werden: Mein Notizbuch ist eine schlichte Angelegenheit in DIN A5, außen schwarz, innen kariert. Das liegt zum Einen daran, dass ich fast immer mein Notebook dabei habe und Notizen dann eben gleich damit arbeite. Erfahrungsgemäß komme ich aber mit einer einzigen Kladde besser zurecht.

Früher hatte ich mal die Idee, für jedes Projekt ein neues Notizbuch anzulegen und habe entsprechend viele angeschafft; darunter sehr schöne, mit bunten, aufwendig gestalteten Covern, Seitenzahlen, Register usw. Ich fühlte mich dabei gleichermaßen professionell und ästhetisch und die Idee war vielleicht sogar gut – aber das Ergebnis war Chaos.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich kann in einem schön gestalteten Notizbuch nicht einfach rumschmieren. Ein ästhetisches Cover schreit geradezu nach einen angemessen ästhetischen Inhalt. Die Seiten mit hastig hingeklierten Notizen zu füllen, kommt einem Sakrileg gleich. Es ist, als würde man das Buch besudeln. Andererseits ist so ein Gedanke ein ziemlich flüchtiges Ding und längst entfleucht, bevor ich ihn in Schönschrift einfangen kann.
Außerdem halten sich meine Ideen selten an meine Schreibpläne und so hatte ich meist die falsche Kladde dabei. Was macht man in so einem Fall? Genau, man schreibt sie entweder in ein eigens dafür neu gekauftes Notizbuch oder in das, was man gerade dabei hat. Aber egal, was man macht, am Ende hat man viele, halbvoll geschriebene Notizbücher zu einem Sammelsurium von Themen und sucht sich tot, wenn man eine bestimmte Notiz braucht.

Mir ging es jedenfalls so und deswegen habe ich jetzt genau eine Kladde, die so unscheinbar ist, dass es mir überhaupt nichts ausmacht, darin rumzuschmieren und in der ich wirklich ALLES notiere: Stichpunkte aus Elternabenden und Lehrergesprächen, Rezepte, To Does, Telefonnummern, Ideen für Geschichten, Blogbeiträge oder Fachartikel, Skizzen von oder für irgendwas … Eben alles. Was übertragen ist oder aus anderen Gründen nicht mehr gebraucht wird, wird durchgestrichen.
Tatsächlich habe ich trotzdem eine sehr innige Beziehung zu diesem Notizbuch. Es ist ein bisschen, wie ein altes, abgetragenes Nachthemd: vertraut, geliebt und in gewisser Weise auch tröstlich – aber nichts, was man öffentlich vorzeigt.

April Challenge (Tag 6): Der erste Satz

Die Tagesaufgabe der Aprilchallenge von Kate Stark besteht heute darin, den ersten Satz des laufenden Projekts vorzustellen. Hiermit präsentiere ich also – Tusch und Trommelwirbel – den ersten Satz meines Krimis:

An manchen Tagen bereute Simone Weill, sich nach dem Tod ihres Mannes einen Hund und keine Katze angeschafft zu haben.

Vielleicht nicht der beste Satz der Literaturgeschichte, aber 1.000 Mal besser, als das, was ich ursprünglich geschrieben hatte. In der ersten Version stand da nämlich:

An Tagen wie diesen genoss Simone Weill die morgendliche Hunderunde.

Schön für sie, oder? Aber merkt ihr den Unterschied?

Am auffälligsten ist natürlich, dass die überarbeitete Version mehr Informationen über Simone Weill liefert. In der ersten Version erfährt man nur den Namen, und dass sie einen Hund hat. Jetzt, dass sie verwitwet ist (vermutlich also schon etwas älter), Tiere im Allgemeinen mag (sonst wäre eine Katze keine Alternative gewesen) und sich vermutlich einsam fühlt (sie hat den Hund nach dem Tod ihres Mannes angeschafft). Dieser letzte Punkt, die Einsamkeit, deutet auch einen latenten Konflikt an.

Der eigentliche Grund, warum ich den Satz deutlich besser finde, ist trotzdem ein anderer. Der ursprüngliche Satz mag schön und kompakt sein, aber er klatscht auch wie ein Monolit auf und bleibt liegen. Sie genießt. Punkt. Bei einem Krimi ahnt man natürlich, dass es so nicht weitergehen kann, aber im Moment ist alles gut und da man die Frau auch nicht näher kennt, kann man das Buch beruhigt schließen. Will ich das?
Nein!
Natürlich will ich, dass der Leser auch den nächsten Satz liest. Und den übernächsten. Und so weiter, bis das Buch durch ist. Also muss ich ihm einen Grund liefern. Und ich glaube, dass der neue Eröffnungssatz diesen Grund liefert, indem er implizit eine Frage aufwirft: „Warum bereut sie es?“
Das ist zwar nichts weltbewegendes, aber es weckt Neugier (hoffentlich). Mir geht es zumindest so, dass ich offene Fragen nur schwer im Raum stehen lassen kann. Sie erzeugen eine gewisse Art von Spannung, die sich erst durch die Beantwortung löst. In diesem Fall ist die Antwort – soviel kann ich verraten, ohne den Buchinhalt zu spoilern – für die Handlung zwar vollkommen nebensächlich, aber allein die Frage baut hoffentlich genug Spannung auf, um zum Weiterlesen zu verführen.

Was meint ihr? Liege ich mit der Einschätzung richtig?